Wachsende Hinweise auf Zusammenhang zwischen Diabetes und Demenz
Die Zahl der Menschen mit Diabetes mellitus steigt weltweit – und mit ihr die Sorge um mögliche Folgeerkrankungen. In den letzten Jahren hat sich die Forschung verstärkt auf einen potenziellen Zusammenhang zwischen Diabetes und Demenz konzentriert.
Neue Studien legen nahe, dass Menschen mit Diabetes ein erhöhtes Risiko für kognitive Beeinträchtigungen und Demenz haben. Doch wie genau hängen diese beiden Erkrankungen zusammen? Was bedeutet das für Betroffene und Präventionsstrategien?
Diabetes und Demenz: Zwei Volkskrankheiten im Fokus
Diabetes mellitus, insbesondere Typ-2-Diabetes, zählt zu den häufigsten chronischen Erkrankungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Gleichzeitig nimmt die Prävalenz von Demenzerkrankungen – allen voran der Alzheimer-Krankheit – in einer alternden Gesellschaft stetig zu. Beide Erkrankungen belasten nicht nur die Betroffenen und deren Angehörige, sondern stellen auch das Gesundheitssystem vor große Herausforderungen[1].
Während die Zusammenhänge zwischen Diabetes und klassischen Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall gut erforscht sind, rückt der Einfluss von Diabetes auf die Gehirngesundheit erst seit einigen Jahren verstärkt in den Fokus der Wissenschaft.
Erhöhtes Demenzrisiko bei Diabetes: Was zeigen die aktuellen Studien?
Zahlreiche internationale Studien, darunter auch große Metaanalysen, belegen: Menschen mit Diabetes haben ein signifikant erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens an einer Demenz zu erkranken[2]. Das gilt sowohl für die Alzheimer-Krankheit als auch für andere Demenzformen wie die vaskuläre Demenz.
- Eine Analyse der Universität Oxford zeigte, dass das Demenzrisiko bei Typ-2-Diabetes im Vergleich zu Nicht-Diabetikern um etwa 50% erhöht ist[3].
- Auch Typ-1-Diabetiker sind betroffen: Hier ist das Risiko zwar geringer als bei Typ-2, aber immer noch erhöht[4].
Besonders auffällig: Je länger der Diabetes besteht und je schlechter der Blutzucker eingestellt ist, desto höher scheint das Demenzrisiko zu sein. Auch häufige Unterzuckerungen (Hypoglykämien) stehen im Verdacht, kognitive Prozesse zu beeinträchtigen[5].

Mögliche Mechanismen: Wie könnte Diabetes die Entstehung von Demenz begünstigen?
Die genauen Ursachen für den Zusammenhang zwischen Diabetes und Demenz sind komplex und noch nicht vollständig geklärt. Die Forschung diskutiert verschiedene Mechanismen:
- Gefäßschäden: Chronisch erhöhte Blutzuckerwerte schädigen die Blutgefäße im gesamten Körper, auch im Gehirn. Mikroangiopathien (Schädigung kleiner Gefäße) können die Durchblutung des Gehirns beeinträchtigen und so das Demenzrisiko erhöhen[6].
- Insulinresistenz im Gehirn: Neuere Studien zeigen, dass Insulin eine wichtige Rolle für die Funktion von Nervenzellen spielt. Bei Insulinresistenz, wie sie bei Typ-2-Diabetes typisch ist, könnte auch die Insulinwirkung im Gehirn gestört sein. Das beeinträchtigt die Signalübertragung und fördert möglicherweise die Ablagerung von Amyloid-Proteinen, die für die Alzheimer-Krankheit charakteristisch sind[7].
- Entzündungsreaktionen: Diabetes geht mit chronisch erhöhten Entzündungswerten einher. Diese systemischen Entzündungen können auch im Gehirn schädliche Prozesse anstoßen und so das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen erhöhen[8].
- Hypoglykämien: Wiederholte Unterzuckerungen können Nervenzellen schädigen und die kognitive Leistungsfähigkeit beeinträchtigen[5].
Unterschiede zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes
Die meisten Studien konzentrieren sich auf den Typ-2-Diabetes, da dieser deutlich häufiger vorkommt. Ein erhöhtes Demenzrisiko wird jedoch auch bei Menschen mit Typ-1-Diabetes beobachtet, wenn auch in geringerem Ausmaß[4]. Dies könnte daran liegen, dass Typ-2-Diabetes häufiger mit weiteren Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht und Fettstoffwechselstörungen einhergeht, die zusätzlich das Gehirn belasten.
Wichtig ist: Unabhängig vom Diabetes-Typ spielt die Qualität der Stoffwechseleinstellung eine entscheidende Rolle für die langfristige Gehirngesundheit.

Früherkennung und Prävention: Was können Betroffene tun?
Die gute Nachricht: Viele Risikofaktoren für Demenz lassen sich beeinflussen. Ein gesunder Lebensstil und eine gute Blutzuckereinstellung sind zentrale Bausteine, um das Risiko für kognitive Beeinträchtigungen zu senken. Folgende Maßnahmen werden von Fachgesellschaften empfohlen:
- Regelmäßige Blutzuckerkontrolle: Eine konsequente Einstellung des Blutzuckers beugt Komplikationen vor – auch im Hinblick auf die Gehirngesundheit[9].
- Blutdruck und Cholesterin im Blick behalten: Da Gefäßschäden eine wichtige Rolle spielen, sollten auch Blutdruck und Blutfettwerte regelmäßig kontrolliert und behandelt werden.
- Gesunde Ernährung und Bewegung: Eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige körperliche Aktivität fördern die Durchblutung und wirken entzündungshemmend. Das schützt nicht nur das Herz, sondern auch das Gehirn[10].
- Rauchstopp: Rauchen erhöht das Risiko für Gefäßschäden und sollte möglichst vermieden werden.
- Geistige und soziale Aktivität: Wer sein Gehirn fordert und soziale Kontakte pflegt, kann kognitiven Abbauprozessen entgegenwirken[11].
- Regelmäßige ärztliche Kontrolle: Da viele Symptome schleichend verlaufen, sind regelmäßige Check-ups beim Hausarzt oder Diabetologen wichtig.
Es ist ratsam, bei ersten Anzeichen von Gedächtnisstörungen oder Konzentrationsproblemen ärztlichen Rat einzuholen. Eine frühzeitige Diagnostik kann helfen, Ursachen abzuklären und gezielt gegenzusteuern.
Diabetes und Demenz im Alltag: Herausforderungen für Betroffene und Angehörige
Die Kombination aus Diabetes und Demenz stellt im Alltag besondere Anforderungen. Menschen mit Demenz können ihre Diabetes-Therapie oft nicht mehr selbstständig steuern, was das Risiko für Unter- oder Überzuckerungen erhöht. Für Angehörige und Betreuungspersonen bedeutet das, verstärkt auf Anzeichen von Entgleisungen zu achten und die Therapie gemeinsam mit Fachkräften anzupassen[12].
Hilfreich können hier strukturierte Tagesabläufe, Erinnerungsstützen (z. B. Tablettendosen) und die Unterstützung durch ambulante Pflegedienste sein. Auch spezielle Schulungen für Angehörige werden angeboten.
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Forschung und Ausblick: Neue Therapieansätze am Horizont?
Die Wissenschaft arbeitet intensiv daran, die Zusammenhänge zwischen Stoffwechsel und Gehirn besser zu verstehen. In laufenden Studien werden unter anderem neue Medikamente getestet, die Entzündungsprozesse oder die Insulinresistenz im Gehirn beeinflussen sollen. Bis solche Ansätze im klinischen Alltag verfügbar sind, bleibt die Prävention durch Lebensstilmaßnahmen das wichtigste Instrument[13].
Zudem werden neue Strategien entwickelt, um Demenz frühzeitig zu erkennen – etwa durch digitale Tests oder Biomarker im Blut. Ziel ist es, Betroffene so früh wie möglich zu identifizieren und zu unterstützen.
Fazit: Wachsam sein und gemeinsam vorbeugen
Die Forschung zeigt: Diabetes erhöht das Risiko für Demenz und kognitive Beeinträchtigungen. Entscheidend ist jedoch, dass Betroffene und Angehörige nicht tatenlos bleiben müssen. Eine gute Blutzuckereinstellung, ein gesunder Lebensstil und regelmäßige ärztliche Kontrollen können helfen, das Demenzrisiko zu senken. Wer frühzeitig auf Anzeichen achtet und Unterstützung sucht, kann die Lebensqualität lange erhalten. Bei Unsicherheiten oder ersten Symptomen empfiehlt es sich, fachärztlichen Rat einzuholen – für die eigene Gesundheit und die der Angehörigen.
Quellen
- [1] Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), Zahlen und Fakten zu Diabetes, 2023, diabetesgesellschaft.de.
- [2] Livingston G et al., Dementia prevention, intervention, and care: 2020 report of the Lancet Commission, 2020, thelancet.com.
- [3] Exalto LG et al., Risk of dementia and Alzheimer’s disease in patients with diabetes: a meta-analysis, 2012, neurology.org.
- [4] Rawshani A et al., Risk factors, mortality, and cardiovascular outcomes in patients with type 1 and type 2 diabetes, 2018, nejm.org.
- [5] Whitmer RA et al., Hypoglycemic episodes and risk of dementia in older patients with type 2 diabetes mellitus, 2009, jama.com.
- [6] Biessels GJ & Despa F, Cognitive decline and dementia in diabetes mellitus: mechanisms and clinical implications, 2018, nature.com.
- [7] Craft S et al., Insulin resistance and Alzheimer’s disease pathogenesis: potential mechanisms and implications for treatment, 2012, alzres.com.
- [8] De Felice FG, Inflammation, defective insulin signaling, and mitochondrial dysfunction as common molecular denominators connecting type 2 diabetes to Alzheimer disease, 2013, diabetesjournals.org.
- [9] Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), Leitlinie: Therapie des Typ-2-Diabetes, 2023, diabetesgesellschaft.de.
- [10] World Health Organization (WHO), Risk reduction of cognitive decline and dementia: WHO guidelines, 2019, who.int.
- [11] Alzheimer Forschung Initiative e.V., Demenz vorbeugen: Was kann ich tun?, 2022, alzheimer-forschung.de.
- [12] Deutsche Alzheimer Gesellschaft, Diabetes und Demenz – Herausforderungen im Alltag, 2021, alzheimer.de.
- [13] Alzheimer Europe, Diabetes and dementia: emerging therapeutic targets, 2023, alzheimer-europe.org.